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Deflationgate: Keine klares Urteil im Wells-Bericht
Nachdem im AFC Championship Game in der ersten Halbzeit elf von zwölf Bällen der Patriots nicht den vorgeschriebenen Druck aufgewiesen hatten, gab die NFL eine Untersuchung in Auftrag. Der Bericht liegt nun vor, ohne klare Ergebnisse. Dennoch ist Quarterback Tom Brady noch nicht vom Hacken.
Es war die Top-Story vor der Super Bowl: Einen Tag nach dem Sieg der New England Patriots im AFC Championship Game über die Indianapolis Colts wurde bekannt, dass elf der zwölf vom Patriots-Angriff verwendeten Bälle in der ersten Halbzeit nicht den vom Reglement vorgeschriebenen minimalen Luftdruck aufgewiesen hatten. Ein geringerer Luftdruck gibt dem Quarterback einen besseren Griff und auch das Risiko für Fumbles nimmt ab. Die Bälle waren vor dem Spiel wie vorgeschrieben von den Schiedsrichtern kontrolliert und für gut befunden worden. Wie sie Druck verloren, blieb mysteriös, so dass die NFL im Februar beim bekannten Strafrechtler Ted Wells eine Untersuchung zur schnell «Deflationgate» genannten Affäre in Auftrag gab.

Am Mittwoch hat Ted Wells nun seinen 243 starken Bericht vorgelegt. Darin kommt er zum Schluss, dass zwei Equipment-Verwantwortliche der Patriots mit «einiger Wahrscheinlichkeit» die Luft aus den Bällen abgelassen haben. Einer der beiden suchte auf dem Weg aus der Schiedsrichter-Kabine zum Spielfeld mit den Bällen ein Toilette auf: Was er dort gemacht hat, ist unklar, doch die Zeit, die er dort verbrachte, reicht gemäss Wells für die Manipulation der Bälle aus. Wells schliesst weiter mit «einiger Sicherheit» aus, dass weder Head Coach Bill Belichick noch eine anderer Trainer von diesem Regelverstoss gewusst oder ihn gar angeordnet habe.

Nicht ganz vom Hacken ist aber Tom Brady: Gemäss den Befunden von Wells muss der Quarterback beim Start des Spiels gemerkt haben, dass die Bälle nicht den richtigen Luftdruck aufweisen und hat diesen Regelverstoss «stillschweigend geduldet». Ob der amtierende Super Bowl-MVP die Massnahme sogar angeordnet hat, ist gemäss Wells «nicht auszuschliessen», einen Beleg, dass dem tatsächlich so gewesen sein könnte, kann er aber nicht beibringen. Möglich ist auch, dass die beiden Equipment-Leute aus eigenem Antrieb gehandelt haben: Ein SMS-Verkehr zwischen den beiden drei Monate zuvor zeigt, dass sich Tom Brady, der die Bälle gerne am unteren Ende der erlaubten Spanne hat, nach einem Spiel gegen die New York Jets über zu hohen Druck in den Bällen beklagt hat. Möglich, dass die beiden gewissermassen in vorauseilendem Gehorsam gehandelt und ihrem Quarterback einen Dienst erweisen wollten, dabei aber über das Ziel hinausschossen. Wie auch immer: Fakt bleibt, dass Brady gemerkt haben muss, dass die Bälle wohl zu geringen Druck haben, aber nichts unternommen hat, um das korrigieren zu lassen. Fakt bleibt aber auch, dass die Bälle nach einer entsprechenden Meldung der Colts an die Schiedsrichter in der Pause wieder aufgepumpt wurden. Zum Zeitpunkt also, als die Patriots das AFC Championship Game mit einer meisterhaften zweiten Halbzeit für sich entschieden, entsprachen die Bälle somit den Erfordernissen des Regelwerks.

Mit dem Ablieferung des Berichts liegt der Ball nun wieder bei der NFL. Sie muss entscheiden, ob gegen einzelne Beteiligte oder das ganze Team Strafen ausgesprochen werden. Die meisten Beobachter rechnen damit, dass es zu Bussen und Sperren kommt, selbst wenn die beteiligten Personen den Regelverstoss nicht angeordnet haben. Auch in anderen Fällen hat die Liga schon Verantwortliche bestraft, die sich zwar sich selber nichts zu Schulden kommen liessen, aber durch Nachlässigkeiten oder ungenügende Kontrollen Raum schuffen, dass Regelverstösse möglich sind. NFL-Commissioner Roger Goodell steht in diesem Fall zudem unter zusätzlichem Druck: Ihm wird ein enges Verhältnis zu Patriots-Besitzer Robert Kraft nachgesagt und sollte er ausgerechnet bei dessen Team nachsichtiger als bei anderen agieren, so würde dies bei den übrigen Besitzern Fragen nach Goodells Unabhängigkeit aufwerfen.
Ted Wells
Ted Wells
Tom Brady
Tom Brady
Roger Goodell
Roger Goodell
von Igor Holzheu - 
Donnerstag, 7. Mai 2015