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Relocation-History der NFL: Indianapolis Colts
Innert einem Jahr sind mit den Rams und den Chargers zwei NFL-Teams umgezogen, mit den Raiders folgt schon bald ein drittes. Aus diesem Anlass beleuchtet www.bigplay.ch in einer Serie die Relocation-History der NFL. Heute: Die Indianapolis Colts

Es sind Fernsehbilder, die sich vor mehr als 30 Jahren tief ins Gedächtnis einer ganzen Generation von Sportfans eingegraben haben: In der Nacht vom 28. auf den 29. März 1984 verluden Umzugsmänner die ganze Habe der Baltimore Colts in 15 Trucks der Firma «Mayflower», die dann die Stadt in den frühen Morgenstunden begleitet von TV-Kameras Baltimore verliessen und wenige Stunden später in Indianapolis eintrafen. Über Nacht waren aus den Baltimore Colts, die Indianapolis Colts geworden. Zurück blieb eine schockierte Stadt und das ungute Gefühl bei vielen Sportfans, dass womöglich auch ihr Team praktisch über Nacht verschwinden könnte.

Dem Umzug der Colts von Baltimore nach Indianapolis war aber natürlich eine ganze Reihe von Ereignissen vorausgegangen. Das Memorial Stadium in Baltimore, seit 1953 die Heimat der Colts, war veraltet und die Colts entwickelten Mitte der 1970er Jahre gemeinsam mit dem Baseball-Team der Stadt, den Baltimore Orioles, das Projekt für ein neues Stadion in der Nähe das Inneren Hafens der Stadt. Doch trotz Unterstützung des Bürgermeisters und des Gouverneurs scheiterten die Pläne im Parlament von Maryland. Die beiden Teams mussten sich mit einer Renovation ihrer bisherigen Spielstätte zufrieden geben.

Robert Irsay, seit 1972 Besitzer des Teams, sah in den folgenden Jahren, dass andere NFL-Teams in ihren Städten neue, modernere Spielstätten erhielt. Und da sich in Baltimore weiterhin nichts tat, begann er Alternativen zu prüfen: Los Angeles in Kalifornien, Memphis in Tennessee oder Jacksonville in Florida wurden zu Optionen. Am Ende kristallisierten sich aber zwei andere Städte als Favoriten heraus: Phoenix in Arizona und Indianapolis in Indiana. Anfang 1984 machte Robert Irsay dann ernst und ersuchte seine NFL-Kollegen um das Einverständnis, sein Team in eine der beide Städte verlegen zu dürfen, sobald er sich mit einem von ihnen auf die Konditionen für ein Stadion geeinigt hat. Die NFL-Besitzer gaben dazu am 2. März 1984 grünes Licht.

Robert Irsay liebäugelte anfänglich mehr mit Phoenix, doch Indianapolis hatte einen Vorteil: Die Stadt hatte 1982 mit dem Bau des Hoosier Domes begonnen, in der Hoffnung, dort dereinst ein NFL-Expansion-Team beheimaten zu können. Doch William Hudnut, der Bürgermeister von Indianapolis, begriff sofort, dass es ihm nun möglich sein könnte, statt auf die unsichere Karte Expansion-Team zu setzen, eine bestehende NFL-Franchise in seine Stadt zu holen und setzte dafür alle Hebel in Bewegung.

Doch auch in Baltimore blieb man nicht untätig: Um einen Wegzug der Colts zu verhindern, brachte Gouverneur Harry Hughes ein Gesetz ins Parlament von Maryland ein, das ihm das Recht eingeräumt hätte, Irsay notfalls enteignen zu können, sollte er mit seinem Team die Stadt verlassen wollen. Am 27. März stimmte der Senat dem Gesetz als erste Kammer zu. Am nächsten Tag rief William Hudnut Robert Irsay an und die beiden einigten sich mündlich auf einen Mietvertrag für den Hoosier Dome. Das nächste Telefonat Hudnuts ging dann an seinen Nachbarn John B. Smith, dem Chef der Umzugsfirma Mayflower. Und dieser setzte umgehend jene 15 Trucks in Bewegung, die die Colts nach Indianapolis bringen würde. Und Tempo war angezeigt, denn am 29. März stimmte auch die Abgeordentenkammer von Maryland dem Enteignungs-Gesetz zu. Doch da war es bereits zu spät: Die Mayflower-Trucks, die auf unterschiedlichen Routen fuhren, um der Staatspolizei ein Anhalten zu erschweren, hatten die Grenze Marylands bereits hinter sich gelassen. Die Baltimore Colts waren Geschichte.

Baltimore erhielt 1996 mit den Baltimore Ravens ein neues NFL-Teams, doch der Verlust und vor allem, die Art und Weise wie die Colts bei Nacht und Nebel ihre alte Heimat verliessen, hat in der Stadt tiefe Wunden geschlagen. Wunden, die bis heute nicht ganz verheilt sind, was sich auch immer dann zeigt, wenn die Colts in Baltimore spielen: Statt wie bei allen anderen Teams üblich den Teamnamen, also «Colts», auf der Anzeigetafel anzuzeigen, heisst es bei einem Spiel der Colts jeweils nur «Indy».

Robert Irsay
Robert Irsay
William Hudnut
William Hudnut
von Stefan Feldmann - 
Montag, 10. April 2017