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Legends - Games
1968 - Oakland 43, N.Y. Jets 32
The Heidi-Game
Die Amerikaner stehen auf die Geschichte von Heidi, dem Naturmädchen aus den Bündner Alpen. Aber noch mehr stehen sie auf Football. Dies sollte sich am 17. November 1968 zeigen, bei der Fernsehübertragung des AFL-Spitzenkampfes zwischen den Oakland Raiders und den New York Jets. Im Zentrum des Geschehens standen dabei aber nicht etwa Stars wie Joe Namath, Daryle Lamonica, Fred Biletnikoff oder Don Maynard, sondern Preston Ridlehuber, Dick Cline und eben Heidi.
Das Spiel zwischen den Oakland Raiders und den New York Jets – dem späteren Super Bowl-Sieger – endete in einem dramatischen Finale. Seinen Status als eines der legendärsten Spiele der Football-Geschichte erlangte die Begegnung aber durch den Umstand, dass der grösste Teile der USA dieses dramatische Finale nicht sehen konnte. Nachdem Kicker Jim Turner die New York Jets eine Minute vor Schluss mit einem Field Goal 32:29 in Führung geschossen hatte, schaltete die NBC zu einem Werbeblock. Doch nach dessen Ende kehrte der Sender nicht zum Spitzenspiel der AFL zurück. Nicht muskelbepackte Spieler waren auf dem Bildschirm zu sehen, sondern ein kleines, wuschelköpfiges Mädchen, welches mit Ziegen auf die grünen Wiesen im Hochgebirge zieht: Heidi.

Die New York Jets und die Oakland Raiders waren 1968 unbestritten die beiden Top-Teams der AFL. Sie dominierten ihre jeweiligen Divisionen und führten diese mit je 7 Siegen und zwei Niederlagen an. Und so trafen sie sich am 17. November im Oakland Coliseum zu Spitzenspiel. Und zu was für einem Spiel: Die Führung wechselte fünfmal, die beiden Quarterbacks zeigten sich von ihrer besten Seite – Jets-Quarterback Joe Namath passte für 381 Yards und einen Touchdown, Raiders-Quarterback Daryle Lamonica für 311 Yards und vier Touchdowns – und Jets-Wide Receiver Don Maynard fing 10 Pässe für 228 Yards. Es war ein hartes, gutes Football-Spiel.

Manchmal gar ein wenig überhart: Es gab viele verspätete Hits und einige blutige Nasen. Total sprachen die Schiedsrichter 19 Strafen für 238 Yards aus. Und eben diese Strafen stellten das Problem dar: Durch die vielen Unterbrechungen sprengte das Spiel die vorgesehenen drei Stunden der Fernseh-Übertragung. Ursprünglich sollte die Partie um 19 Uhr New Yorker-Zeit zu Ende sein. Aber nach Turners Field Goal verblieben noch etwas mehr als eine Minute zu spielen.

Im NBC-Sendezentrum zerbrach sich Dick Cline, welcher an diesem Tage als verantwortlicher Supervisor amtete, den Kopf darüber, was nun zu tun sei, beim Spiel zu bleiben oder zum Spielfilm umzuschalten. NBC hatte den Spielfilm «Heidi» im Vorfeld stark beworben und die Werberechte an die Firma Timex verkauft. Teil des Verkaufs war die vertragliche Zusicherung, dass der Film am 17. November zwischen 19 und 21 Uhr zu zeigen. Ein teurer Vertrag hier, «nur» noch eine Minute zu spielen da – die Entscheidung für Cline war schnell klar und er gab die Anweisung, in den Zeitzonen Eastern (Atlantikküste) und Central (Grosse Seen, Mississippi Valley) zur Premiere von «Heidi» umzuschalten.

«Ich merkte schnell, dass irgendetwas passiert war», erinnerte sich Dick Cline, «denn wir bekamen keine Anrufe mehr ins Sendezentrum rein. Und wir konnten auch selber keine Anrufe mehr tätigen.» Grund für die toten Telefone war ein Total-Zusammenbruch der Telefonzentrale von NBC, welche von Abertausenden Anrufen von Fans lahmgelegt wurde, die wissen wollten, warum man sich aus dem Spitzenspiel ausgeklinkt habe. Und dabei konnten sie noch nicht einmal wissen, welch dramatisches Finale sie verpassten.

Daryle Lamonica fand 42 Sekunden vor Schluss Running Back Charlie Smith mit einem 43 Yards-Touchdown-Pass. Und beim anschliessenden Kickoff profitierte Oaklands Backup Fullback Preston Riedlhuber von einem Fehler der Jets, konnte den Ball für sein Team sichern und trug ihn zu einem weiteren Touchdown zurück. Die Raiders hatten innerhalb von Sekunden 14 Punkte erzielt und das Spiel noch zu ihren Gunsten gewendet.

Die Aufregung bei den Football-Fans war derart gross, dass sich NBC-Präsident Julian Goodman veranlasst sah, sich am nächsten Tag bei den Fans offiziell zu entschuldigen. Doch es rollten keine Köpfe, auch nicht der von Cline: «Mich rettete wohl eine schriftliche Notiz meines Bereichsleiters, in welchem er festhielt, dass er mich wegen den vertraglichen Implikationen mit Timex gefeuert hätte, wenn "Heidi" nicht pünktlich um 19 Uhr auf Sendung gegangen wäre.» Das «Heidi»-Spiel veranlasste die TV-Stationen aber zu einer Praxisänderung: Künftig blieben sie bei Football-Spielen dabei, selbst wenn diese länger dauerten als gedacht.

Und noch eine Lehre zog NBC aus diesem Spiel: Im Sendezentrum wurde ein zusätzliches Telefon installiert, welches nicht über die Telefonzentrale geschaltet ist, so dass bei einem erneuten Zusammenbruch die Kommunikation mit dem Herz der TV-Station trotzdem gewährleistet werden kann. Natürlich erhielt es schnell einen Übernamen: das «Heidi»-Telefon.

New York Jets
32
6
6
7
13
Oakland Raiders
43
7
7
8
21

NYJ – FG – Turner 44 Yards
NYJ – FG – Turner 18 Yards
OAK – TD – Wells 9 Yards-Pass von Lamonica (Extrapunkt Blanda)
OAK – TD – Cannon 48 Yards-Pass von Lamonica (Extrapunkt Blanda)
NYJ – TD – Namath 1 Yard-Lauf (Conversion Pass von Namath unvollständig)
NYJ – TD – Mathis 4 Yards-Lauf (Extrapunkt Turner)
OAK – TD – Smith 3 Yards-Lauf (Conversion Dixon Pass von Lamonica)
NYJ – TD – Maynard 50 Yards-Pass von Namath (Extrapunkt Turner)
NYJ – FG – Turner 12 Yards
OAK – TD – Biletnikoff 22 Yard-sPass von Lamonica (Extrapunkt Blanda)
NYJ – FG – Turner 26 Yards
OAK – TD – Smith 43 Yards-Pass von Lamonica (Extrapunkt Blanda)
OAK – TD – Ridlehuber 2 Yards-Fumble Return (Extrapunkt Blanda)
Heidi
Heidi
Daryle Lamonica
Daryle Lamonica
Charlie Smith
Charlie Smith
Joe Namath
Joe Namath
Don Maynard
Don Maynard
von Stefan Feldmann - 
Sonntag, 31. Januar 2010